Mittwoch, 1. Oktober 2014

2014-10-01 Etappe 28 Ebernburg-Guldental




Gestern schon war ich der Nahe nahe gekommen, heute durfte ich sie überqueren und wäre ich 120 Jahre früher hier gewesen, wäre ich bei der Überquerung von bayerischem auf preußisches Gebiet gekommen. Die Nahe war damals der Grenzfluss.

Hier traf ich nun für diesen einen Tag auch auf meinen fünften offiziellen Wanderweg, über den meine Strecke führte, den Weinwanderweg Rhein-Nahe. Also wieder Autobahn statt wie gestern durchs Uhgrechete, ein Wort, das jetzt wieder dem Rheinländer schwer zugänglich ist, demnach erklärungsbedürftig. Das Uhgrechete ist zu übersetzen mit "das Ungerechte". Das hat aber nichts mit dem Ius, also dem Recht zu tun, sondern mit dem Gartengerät, dem Rechen. Und das Uhgrechete ist der Bereich, in dem der Rechen noch nicht im Einsatz war. Will sagen gestern ging es durch sehr grobes Gelände.

Das Flüsschen, das zu manchen Jahreszeiten sehr tückisch sein kann, scheint fischreich zu sein. Wenn man aufmerksam ist und genau hinschaut, kann man immer wieder Fischreiher auf der Lauer nach Beute beobachten, so wie auf diesem „Suchbild“.

Bad Kreuznach hat die Nahe schon so manches Hochwasser beschert, wie ich am den Markierungstafeln in der Stadt sehen konnte. Bevor ich jedoch dorthin gelangte, marschierte ich erst einmal durch die gepflegten Anlagen der Kurstadt Bad Münster am Stein, deren Pflege ich dafür, dass ich mich auf ihrem Gebiet für eine Nacht zur Ruhe begab, mittels einer Kurtaxe mitfinanzieren durfte. Was soll's!

Dann traf ich auf eine Reihe von Salinen, die zu einer näheren Inspektion einluden. Zunächst sah ich mir das Schauspiel von unten an, sah, wie Menschen sich vor diese Wassertriefenden Dornenreisigmauern setzten, über die salzhaltiges Wasser nach unten rann und, durch den Wind in feinste Tröpfchen zerstäubt, die Luft schwängerte. Ich denke das tut den Atemwegen gut, wenn man nicht an die Nordsee fahren will oder kann.

Als ich sah, dass sich eine Person oben auf dem Catwalk einer der Salinen bewegte, dachte ich: "Au fein, die kann man ja auch von oben betrachten!" Und ich fand auch bald eine Eisentreppe, die hinaufführte. Schnell war ich oben und begann, einige Fotos zu machen.

Allerdings sah es dort nicht so aus, als wäre der Bereich für den Publikumsverkehr gemacht. Und bald hörte ich vom anderen Ende ein lautes Rufen. Zwei Männer gestikulierten wild: Weg, weg, runter! Ich gab ein Zeichen, dass ich verstanden habe, packte meine Kamera ein und machte mich auf den Rückweg hinab. Nicht einmal zur Hälfte war ich wieder unten, als einer der Männer oben an der Treppe erschien, mir hinterher eilte und mir freundlich, aber bestimmt sagte, ich solle bitte unverzüglich das Gelände verlassen. Bestimmt insofern, als die Lautstärke, in der er zu mir sprach, etwa 3 Stufen zu laut war, als dass ich sie als angemessen hätte empfinden können. Bei der Gelegenheit machte ich eine interessante Feststellung. Wenn früher jemand in einer solchen Lautstärke zu mir "gesprochen" hat, sind bei mir sämtliche Sicherungen durchgebrannt und ich habe derart die Kontrolle über mich verloren, dass ich mich selbst nicht mehr gekannt habe.  Relikte aus Kindheit und Jugend mit einem Lehrer als Vater.

Freundlich, weil er BITTE gesagt hatte. Ich hörte mich zu meinem eigenen Erstaunen ganz ruhig sagen:" Ja, ich habe verstanden und ich bin doch bereits auf dem Weg nach unten!" - " Das iss hiä än fäboodene Bereisch! Däs iss Hausfriedensbruch, was Sie hiä mache! Die ganz Aalaache is ungesischät! Dass de Leit abbä aach kaine Schildä leese könne!" -" Wenn da ein Schild gewesen wäre, wäre ich sicher nicht hinaufgestiegen." - " Des saache se alle!" Aber, unten angekommen, war da tatsächlich ein Schild an der offen stehenden Tür, das man aber erst lesen konnte, wenn man die Türe schloss. Die war aber offen gestanden, das Schild demnach für mich nicht zu erkennen gewesen. Als er mir dies nicht glauben wollte, bemerkte ich nur, dass sein Glaube für mich von deutlich untergeordnetem Interesse sei und zog weiter meiner Wege.
 

Kurz darauf gab es wieder Anlass, stehen zu bleiben und Kindern zuzuschauen, die sich von einer Brücke in ein Kanu abseilten. Das hätte mir auch Spaß gemacht!

Inzwischen war ich im Kurpark von Bad Kreuznach angekommen. Eine Skulptur mahnte mich, dass ich an diesem " Sommertag " das Trinken völlig vergessen hatte. Ursprünglich sollte die Darstellung zweier armer Soldaten, die um den letzten Tropfen Wasser kämpften, noch vor dem ersten Weltkrieg in Berlin aufgestellt werden. Aus politischen Gründen jedoch gab Kaiser Wilhelm diese Antikriegsskulptur an den Künstler zurück. Seitdem und deshalb steht sie nun hier.

Es gab noch mehr aus der Geschichte zu lernen. Ein ehemaliger Kölner Oberbürgermeister führte hier nachhaltige Gespräche

und es gab noch weitere Dinge, die mir im Hinblick auf mein Ziel ins Auge stachen:

Einen Briefkasten mit dem Tettnanger Schloss suchte ich vergeblich, hatte aber mit all den vielen Dingen, die es zu entdecken gab, reichlich Zeit verbracht und musste dann irgendwann auch einmal weiter.
Eines aber finde ich noch erwähnenswert, die Brückenhäuser von Bad Kreuznach. Brückenhäuser kennt man ja auch aus anderen Städten wie Florenz oder Erfurt, aber diese hier bieten eine Besonderheit. Sie sind unterkellert. Das heißt, in den Brückenpfeilern befindet sich weiterer Stauraum, der früher von den Kaufleuten genutzt wurde.

Unmittelbar nach Verlassen Bad Kreuznachs war ich wieder mitten in den Weinbergen des Nahegebietes. Seltsame, alkoholgeschwängerte Gerüche umwehten meine Nase und bald sah ich den Grund dafür. Weinbauern hatten ihren Trester am Waldrand entsorgt, wo er vor sich hin gärte.

Überall in den Weingärten sah man jetzt die Erntemaschinen, die hochstelzig STAR-WARS entsprungen zu sein schienen.

Nachdem sie ihr Werk verrichtet hatten, sahen die Überreste, die sie hinterließen, so aus:

Manchmal, wenn man aufmerksam ist und auch einmal links und rechts schaut, kann man auch Überraschendes sehen:

Fast am Ziel angekommen stand ich vor der Frage: Schuhe und Strümpfe ausziehen oder zur nächsten Brücke laufen? Ich entschied mich für Letzteres.


Geographische Koordinaten : N. 49* 53'27". E. 07* 50'48"
Strecke : 21,667 km.   Gesamt :713,832 km
Höhenmeter aufwärts : 246 m. Gesamt : 11836 m
Höhenmeter abwärts. : 234 m. Gesamt : 12184 m

Beim Versuch, hier an meinem heutigen Zielort etwas zum Abendessen zu finden, erlebte ich etwas, das bisher noch nicht dagewesen war. Es gab nichts. Das einzige Restaurant am Ort, der Kaiserhof, geführt von Johan Lafer’s Schwager, hatte mittwochs Ruhetag. Um nochmals einige Kilometer in den nächsten Ort zu laufen -und zurück- dazu hatte ich keine Lust, hungrig zu bleiben auch nicht. Ich entschied mich für die Inanspruchnahme eines Taxis.

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