Donnerstag, 23. Oktober 2014

2014-10-22 RUHETAG in BRÜHL

Den heutigen Ruhetag wollte ich nutzen, um ein wenig durch die Stadt zu streifen, in der ich nicht nur 9 Jahre zur Schule gegangen war, sondern sogar 3 Jahre gewohnt hatte. Zwangsläufig fällt alles heute Berichtete sehr persönlich aus. Neun Jahre Schule ist nicht ganz korrekt, denn Unter- und Oberprima fielen in zwei Kurzschuljahre, als man 1966 eine bundeseinheitliche Regelung anstrebte und uns an den Rest der Republik anpasste, in der die neuen Schuljahre einheitlich nach den Sommerferien begannen. Wir waren 1955 noch an Ostern in die Schule gekommen. Die beiden Kurzschuljahre ersparten mir in der Summe neun Monate Oberstufenunterricht und so habe ich bis zum heutigen Tag Goethes Faust noch nicht gelesen.
Meinen Spaziergang durch die Stadt wollte ich mit dem Stadion beginnen, in dem ich viele Stunden meines Jugendlebens verbracht habe, manche Stadtmeisterschaft und etliche andere Rennen bestritten und manchmal auch gewonnen habe. Das Stadion war abgesperrt, aber es kamen gerade zwei etwa 10-jährige Mädels auf Fahrrädern vorbei und ich hörte, wie eine von ihnen sagte: "Davon hat nur mein Papa den Schlüssel!" Und sie begann, die Stadiontüre aufzusperren. Diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen und fragte höflich: " Darf ich vielleicht ein Foto vom Stadion machen?" Da antwortete sie mir sehr bestimmt: " Nein, das geht nicht. Mein Vater sieht das nicht gern und die Stadt Brühl auch nicht!" Da stand ich nun da und durfte nur von außen ein Foto dieses wunderschön gelegenen Stadions im Schlosspark machen.
An einer weiteren "ewigen Lampe" vorbei gelangte ich zur ehemaligen Volksbank. Als ich mich 1966 für die Deutschen Jugendmeisterschaften in Ulm über 1500 m Hindernis qualifiziert hatte, machte mir der damalige Direktor der Volksbank, Herr Leo Verheugen, eine riesige Freude und schenkte mir das erste Paar Spikes. Herr Verheugen war der Vater des späteren Politikers Günter Verheugen, persönlicher Referent Hans Dietrich Genschers, und späterer SPD-Abgeordneter im Europaparlament und EU-Kommissar. Zu meiner Zeit im Max-Ernst-Gymnasium war Günter Schulsprecher.
Um die Ecke war das Rathaus, vor dem der Brunnen einer der berühmtesten Söhne der Stadt steht, Max Ernst, der im gleichen Jahr 1966 aus Verärgerung über die Stadt 
die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt Brühl abgelehnt hat.
So schlenderte ich durch die Stadt, vieles war neu, vieles aber auch vertraut. Für meinen Geschmack hat sich manches in der Innenstadt positiv verändert.
Eine Uraltkneipe in der Innenstadt mit Sky-Anschluss (Em Höttche) gab glasklar an, was Sache ist. (So isch rächt!)
Ein Abstecher zum Schloss durfte natürlich nicht fehlen. Von Kurfürst Clemens-August erbaut und 1768 fertiggestellt, ist es nicht nur die gute Stube der Stadt, sondern war über einige Jahrzehnte auch die gute Stube der Bundesrepublik Deutschland.
Solange Bonn Hauptstadt war, fanden hier in Schloss Augustusburg seit 1949 sämtliche Staatsempfänge der Bundesrepublik statt. Bevor Queen Elizabeth II. 1965 zu ihrem ersten Staatsbesuch nach Deutschland kam, verdiente ich mir über die Ferien das Geld für mein erstes eigenes Fahrrad bei einer Gartenbaufirma, die das Umfeld des Schlosses für diesen Besuch vorbereitete.
Auch später nahm ich noch einige Ferienjobs im Schlosspark an, um mir Dinge leisten zu können, die ansonsten für mich eine Utopie geblieben wären wie beispielsweise eine Spiegelreflexkamera. Ich erinnere mich noch, wenn meine Freunde und ich einmal arbeitsunlustig waren, konnten wir stundenlang so tun als ob wir schwer beschäftigt seien und Grashälmchen mit einem Grasbesen aus dem Spiegelweiher fischen.
Die Skulpturen um den Spiegelweiher herum zeigten, dass man auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts bereits Körbchengröße A kannte.
Insgesamt ist der Schlosspark mit seinen Parkanlagen, seinem Hochwald und den vielen Gräben und Seen immer wieder ein Anziehungspunkt für die Besucher der Stadt.
In dem eindrucksvollen Treppenhaus des Schlosses, entworfen und gebaut von dem berühmten Baumeister Balthasar Neumann, der u. a. auch die Würzburger Residenz erbaut hat, finden immer noch in regelmäßigen Abständen die Brühler Schlosskonzerte statt.
Unweit des Schlosses findet man in der Dreiflügelanlage des alten Brühler Pavillons seit 2005 das Max-Ernst-Museum. Mich beeindruckten vor allem die Skulpturen des Surrealisten und Dadaisten, der hier in seiner Heimatstadt so wie ich das Gymnasium besucht hat.
Aber von dem Surrealisten Ernst existieren, so wie auch von Pablo Picasso, durchaus einige gegenständliche Bilder, von denen mich am meisten ein Bild fasziniert, auf dem die Jungfrau das Jesuskind vor drei Zeugen züchtigt. Nicht, weil das Bild so schön dargestellt ist, sondern weil hier eine jahrhundertelange Tradition verlassen wurde und ein Tabu gebrochen. Jahrtausendelang undenkbar und im Mittelalter mit dem Scheiterhaufen bestraft beziehungsweise geläutert.
Das Bild ist meines Wissens im Museum Ludwig zu sehen.
Der Künstler achtet dabei auf eine realistische Situationstreue, die darauf schließen lässt, dass er sich im Metier auskennt, die Situation selbst vermutlich hinreichend am eigenen Leibe bzw. Hintern erfahren hat. Wie sonst wüsste er, dass in einer solchen Situation des sich Sträubens des Jesuskindes viele ruckartige und Panikbesessene Bewegungen stattfinden, die natürlicherweise dazu führen, dass einem der Heiligenschein vom Kopf auf den Boden fällt. Ich selbst habe das in meiner Kindheit erfahren und letztendlich dann Heiligenschein, den ja jedes Kind erst einmal mit auf die Welt bringt, gar nicht mehr auf den Kopf gesetzt. Ein weiteres Beispiel für die Lebensnähe der Situation ist die weise und praktische Voraussicht der Jungfrau, die vermutlich aufgrund früherer unangenehmer Erfahrungen frühzeitig dafür gesorgt hat, dass ihr schönes rotes Kleid nicht durch irgendwelche panikbedingt verlorene Exkremente des Jesuleins beschmutzt wird. Mit einem blauen Tuch als Unterlage hat sie dem Unglück vorgebeugt und sich so selbst eine Menge Arbeit mit der Wäsche erspart. Vielleicht ist das blaue Tuch ja sogar bügelfrei! Und die Jungfrau steht felsenfest zu ihrem Tun, sonst hätte sie das Fenster geschlossen und wäre in den Keller gegangen. Nein! Sie ist sich nicht zu schade, vor den Augen der Welt das zu tun, was getan werden muss.

Am Abend hatten sich meine alten Kumpels und Kumpelinnen aus dem Sportverein in einem Restaurant eingestellt um sich mit mir über die Ankunft in Brühl zu freuen und von alten, längst vergangenen Zeiten zu erzählen. Ein weiterer lockerer und entspannter Abend unter Freunden.

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