Montag, 15. September 2014

2914-09-15 Etappe 13 Rot am See-Rothenburg ob der Tauber




Mit dem Wissen, dass es heute eine lange Etappe werden würde, beeilte ich mich, pünktlich um 9.00 Uhr meine Bleibe zu verlassen. Es hatte Obstsalat gegeben und damit war der Tag für mich schon gerettet. Die freundlich-mütterliche Wirtin verabschiedete mich und es konnte losgehen. Das lokale Wetter war von der Sorte "ungewiss", aber die Vorhersage hatte für den gesamten Tag trocken gemeldet. Als es leicht zu nieseln begann, zog ich zumindest den Wetterschutz über meinen Rucksack. Zu mehr konnte ich mich beim Blick zum Himmel nicht entschließen, aber das war so auch in Ordnung, denn anstatt schlimmer zu werden, war der Spuk nach 10 Minuten vorbei, und es blieb bedeckt, aber sonnenlos. Da ich ärmellos gestartet war, zog ich mir aber eine Fleecejacke über, denn obwohl ich nicht fror, wollte ich auf dem langen Weg nicht auskühlen.
Heute musste ich nicht alleine laufen, es gab zwei, die unbedingt mit mir laufen wollten. Die erste Begleiterin, die heute mit mir lief, war meine Nase, was sie gerne tut, wenn ich in der freien Natur unterwegs bin. Gut, dass ich noch eine Packung Tempotücher eingepackt hatte.
Und der zweite, das war jemand, der mir heimlich gefolgt war und den ich schon längst abgeschüttelt wähnte. Mein treuer "Wolf" hatte mich wieder eingeholt und stimmte sein markerschütterndes Geheul zwischen meinen Oberschenkeln an. Nun habe ich anlässlich eines Geburtstagstelefonates erfahren, dass dieser Begriff durchaus missverständlich interpretiert werden kann. Ich ließ mich darüber aufklären, dass dieser Begriff in der schwäbischen Sprache als Synonym für Hämorrhoidalleiden gilt. Davor hat mich allerdings der liebe Gott verschont. In meiner eigenen Begriffswelt läuft man sich einen "Wolf" wenn über längere Zeit ungeschützt Haut über Haut reibt und sie sich auf diese Weise wund scheuert.
Ein "Scheißgefühl" im Schritt bei jedem Schritt!!!
Auf der Karte hatte ich gesehen, dass mein Weg an zwei Steinbrüchen vorbeiführte, also war bei meiner Vorgeschichte höchste Vorsicht geboten. An dieser Stelle muss ich aber dem Schwäbischen Albverein ein ganz großes Kompliment aussprechen. Dieser heutige Streckenabschnitt war so gut markiert, dass ein Verlaufen fast unmöglich war, und wenn es dennoch geschah, dann lag dies sicher nicht an einer unzureichenden Wegmarkierung. Gute Arbeit!!!

Die ersten drei Stunden verliefen völlig unspektakulär. Zeit, sich etwas zurück zu besinnen. Mir fielen zwei Ereignisse ein:
Am Tag zuvor hatte ich bei meiner Rutschpartie unbemerkt eine meiner beiden Wasserflaschen verloren. Erst als ich später trinken wollte, fiel mir dies auf. In Wallhausen, dem Ort, den ich als nächstes passierte, war an diesem Sonntagnachmittag eine kleine türkische Imbissstube geöffnet und die führte tatsächlich Mineralwasser in Plastikflaschen im Sortiment. Ich zahlte gerade die verlangten 2 Euro, als der Blick des Inhabers auf mein Spendenkässchen fiel, das an meinem Rucksack hängt.

"Was," sagte er, "du Spenden sammeln? Gib ich dir ein Öhro!" Und er steckte mir ein Öhro in die Spendenkasse. Er war der erste fremde Mensch, der mir auf der Straße Geld für die kranken Kinder in die Kasse warf, und -wohlgemerkt - es war ein Türke!
Die andere Begebenheit, an die ich mich zurück erinnerte, hatte sich bei meiner Ankunft in Crailsheim am Ende dieses total verregneten Freitags ereignet. Da ich ja bereits den Entschluss gefasst hatte, am kommenden Tag, meinem Ruhetag, Ansichtskarten zu schreiben, und ich gerade an einem Postamt vorbeikam, nutze ich diese Gelegenheit sofort, um ein paar Briefmarken zu kaufen. Im Hüftgürtel meines Rucksackes ist ein kleines, praktisches Fach eingearbeitet, in dem ich etwas Kleingeld griffbereit deponiert hatte. Dort habe ich auch, jederzeit griffbereit, eine Dose Pfefferspray aufbewahrt. Beim Öffnen des Reißverschlusses und beim Fingern nach dem Kleingeld kam ich für einen kurzen Moment auf die Drucktaste der Pfefferspraydose, nur ganz kurz und leicht. Trotzdem stellte sich ganz kurz danach bei mir ein leichter Hustenreiz ein, dann bei meinem Hintermann in der Warteschlange und schließlich hüstelte das gesamte Publikum. Ein Schalterbeamter sagte nur:" Kein Wunder, dass sich bei diesem Wetter jeder erkältet." Ich war der einzige im Raum, der wusste, dass eine Erkältung hier und jetzt nicht zu befürchten war.
Unterwegs fand ich am Straßenrand einen kleinen Fußball, ziemlich neu und funktionstüchtig. Das nächste Dorf lag in gut 500 m Entfernung. Hier würde der gute Ball mit der Zeit vergammeln, wenn ich ihn liegen ließ. Also nahm ich ihn und kickte ihn hügelaufwärts vor mir her bis ins nächste Dorf. In Kürze wird ihn wohl bald irgendein Kind finden und sich freuen. Für mich eine willkommene sportliche Abwechslung.

Von weitem war dann irgendwann Rothenburg zu sehen. Warum nur heißt es ob der Tauber? Köln oder Koblenz heißen ja auch nicht ob des Rheins!

Punkt 14.12 Uhr betraten wir zum zweiten Mal freistaatlich-bayerisches Hoheitsgebiet, mein Wolf brav an meiner Seite bzw. zwischen meinen Schenkeln und ich. Auch den zweiten Steinbruch der Etappe passierte ich, ohne mich zu verlaufen.

In Bettenfeld erreichte ich noch nicht die Tauber, aber die Schandtauber, entstanden aus dem Begriff Schantauber, was soviel heißt wie Kurze Tauber. Und nun ging es bis Rothenburg o.d.T. für die nächsten 5 bis 6 km an dieser Schandtauber entlang. Vom starken Gefälle der Schandtauber wurden früher am Unterlauf insgesamt sieben Mühlen betrieben, darunter die Ober- und die Mittelmühle, die Hollermühle und die Hammerschmiede.
Die Obermühle schien ziemlich heruntergekommen und verwahrlost, es war nicht recht zu erkennen, ob hier überhaupt noch jemand wohnte. Aber nicht nur der Name, auch das Wappen, das ich am Haus fand, erinnerten mich an den Tettnanger Namensvetter.

Dagegen war die Mittelmühle zwar auch längst nicht mehr in Betrieb, aber geschmackvoll und sicher auch liebevoll wieder hergerichtet. Ein wütender Hund hielt mich davon ab, das Gebäude näher in Augenschein zu nehmen.

Bei der (ehemaligen) Hammerschmiede war noch gut der Kaminzug für die alte Esse zu erkennen.


Nach siebeneinhalb Stunden erreichte ich mein Ziel. Zuvor aber sah ich, wie die Schandtauber in die Tauber mündete und ich sah jetzt auch, wieso das idyllische mittelalterliche Städtchen "ob" der Tauber heißt. Denn die Tauber fließt in einem Taleinschnitt tief unten, während die Stadt weit oben darüber liegt. Meine Beine bekamen es beim Anstieg in die Stadt deutlich zu spüren und die Registrierung meiner Höhenmeter erfuhr zum guten Schluss nochmals ein deutliches Plus.

Eines der vielen mittelalterlichen Stadttore
Spätestens hier bin ich im Fränkischen angekommen. Man hört es nun an der Sprache, am rrrollenden R -und überhaupt! Und hier trinkt man Wein.

Weltbekanntes Fotomotiv

Gasthaus und Hotel Zum Rappen in Rothenburg ob der Tauber

Geometrische Daten : N. 49* 22'47". E. 10* 11'05"
Strecke : 30,119 km. Gesamt : 344,701 km
Höhenmeter aufwärts : 373 m. Gesamt : 4697 m
Höhenmeter abwärts :  348 m. Gesamt : 4782 m

1 Kommentar:

  1. Hallo Heinz, wo ist das Bild von dem "Wolf" geblieben?
    Sah spektak
    Klappt es trotzdem mit dem Laufen?
    Alles Gute, Bernd

    AntwortenLöschen