Freitag, 12. September 2014

2014-09-11 Etappe 10 Westhausen-Rosenberg


Das Zimmer, das ich heute Morgen verließ, ließ erahnen, dass der Betreiber sich vor etlichen Jahren vielleicht einmal selbst um so etwas wie eine Renovierung bemüht haben mag. Ob er seitdem je das Zimmer noch einmal betreten hat? Die metallenen Aufhängungen an der Wand ließen den Schluss zu, dass früher dort wohl mal ein größerer Bruder des kleinen Fernsehers gehängt haben mag, der nun auf dem Schreibtisch stand. Einen Stuhl dazu gab es nicht. Aber Bilder müssen wohl früher einmal an der Wand gehangen haben. Die noch vorhandenen Nägel boten hervorragende Möglichkeiten, meine frisch gewaschene Wäsche zum Trocknen aufzuhängen. Da es nicht ganz reichte, konnte ich noch eine Schublade zum Trocknen der Wäsche nutzen. Not war es zwar nicht, aber erfinderisch macht die Situation allemal. Das Bad war benutzbar, es roch nach Bohnerwachs.

Schnell noch in die Apotheke, Nachschub an Diclo holen, denn der rechte Unterschenkel zickt immer noch, schwillt einfach immer wieder an. Dann noch etwas Nachschub an Bargeld holen und los geht's. Herr Fähnle rief mich an, um mir mitzuteilen, dass ich um 12.30 Uhr einen Termin mit dem Bürgermeister von Ellwangen habe, Herrn Grab. Und zwar am Fuchseck, ganz einfach zu finden. Meine Planungsunterlagen sagten aus, dass es bis Ellwangen 13 km seien, also bei meinem Durchschnittsschritt von 4,5 km/h würde ich gegen Mittag ankommen. Herr Fähnle hatte mir zwar eine etwas direktere Route vorgeschlagen, aber ich wollte unbedingt, so schnell es ging, wieder auf meinen HW4 zurückkommen, den ich der Übernachtung wegen hatte verlassen müssen. Und mich interessierte ein Ort namens Goldhöfe, unter dem ich mir ein idyllisches Waldcafe vorstellte. Es ging weitgehend durch Waldgebiete, irgendwo wurde wohl eine Straße frisch asphaltiert und je näher ich meinem idyllischen Waldcafe kam, desto mehr intensivierte sich der Geruch, bis ich schließlich aus dem Wald heraustrat und sah, was es mit Goldhöfe tatsächlich auf sich hatte.

Es handelte sich um eine Asphaltfabrik, daher der auffällige Geruch.
Das Wetter trübte sich immer mehr ein, aber es war noch angenehm, kurzärmelig zu laufen. Laut meinen Berechnungen hatte ich noch 5 km bis zu meinem Treffpunkt mit den Ellwangener Bürgermeister zu gehen und ich hatte noch 90 Minuten Zeit, also alles easy! Kaum aber hatte ich diese Überschlagsrechnung gemacht, als ich an ein Schild mit dem Hinweis kam: Ellwangen 9 km. Ach du Sch.....reck!!! 9 km in 90 Minuten bedeutet ja alle 10 Minuten ein Kilometer und somit ein Stundenschnitt von 6 km/h statt 4,5!
Es half nichts, zumindest musste es versucht werden. Als alter Leichtathlet hat man ein ziemlich gutes Gefühl für Tempo entwickelt, zumal, wenn man immer auf den Mittel- und Langstrecken unterwegs war. Also sofort den Schritt beschleunigen, das Tempo lag nun zwischen lockeren Joggen und engagiertem Walken, nur ohne Stöcke und mit Gepäck. Mein Garmin zeigte mir nach 10 Minuten, dass das eingeschlagene Tempo exakt stimmte, aber würde ich das auch über die ganze Zeit durchhalten können? Gottlob war die heutige eine Flachetappe, ohne besondere Steigungen bis Ellwangen.
Aber nix mehr mit "Der Weg ist das Ziel" ab da nur noch Gehetze. Ich verfluchte mich schon, dass ich mich darauf eingelassen hatte. Will ich das wirklich? O.k. Dieses Mal noch investiere ich diese anderthalb Stunden, aber bei der nächsten Gelegenheit überlege ich mir so etwas zweimal.

Zu allem Überfluss begann es aber nun zu regnen, sprich, Rucksack runter, Regensachen rausholen, anziehen, Rucksack wieder hochwuchten, Poncho überwerfen, alles Dinge, die Zeit kosten.
Als ich ankam, wo ist das Fuchseck? Gleich bei der Basilika hatte Herr Fähnle mir gesagt. Also hatte ich einen Orientierungspunkt, der mir die grobe Richtung vorgab. Aber zwischen den Häusern wurde es dann schwieriger. Noch 5 Minuten! Schließlich fragte ich einen Passanten, der mir die Richtung wies: "Genau da, wo Sie das goldene Pferd sehen!" Ich war da, eine Minute vor der Zeit.

Unter dem goldenen Pferd standen sie schon, der Herr Bürgermeister Grab unter einem roten Schirm und ein Herr von der Presse. Nach ein paar freundlichen Fragen zu Person und Aktion wurden einige Fotos geschossen und Herr Grab überreichte mir persönlich ein flauschiges Badetuch mit dem Emblem der Stadt und vor allem symbolisch einen Spendenscheck für den Förderverein für krebskranke Kinder. An seinem ersten Arbeitstag nach dem Urlaub musste er sich sehr beeilen, zu seinem nächsten Termin zu kommen, hatte es sich aber nicht nehmen lassen, mich persönlich zu begrüßen und mir ein paar nette Worte in mein begleitendes Fahrtenbuch zu schreiben.



KOMMENTAR (10.10.2014)

Nachdem 3 Wochen vergangen waren, begann ich bei der Stadt Ellwangen nachzufragen, in welcher Höhe ich denn die Spende auf der Spendenliste eintragen darf, ohne allerdings eine Antwort zu erhalten. Bereits der Pressevertreter hatte auf seine Nachfrage nach der Höhe des Spendenbetrags Schweigen geerntet. Auch mein mehrfaches Erinnern blieb unbeantwortet. Bis ich jetzt, einen Monat später, die Antwort in Gestalt der Spendenliste bekam, die mir wöchentlich übermittelt wird. Mir blieb fast das Gesicht stehen und ich konnte es kaum fassen. Gut, eine Spende ist eine freiwillige Gabe und man hat nicht nach dem Wert zu fragen. Aber, was sich hier präsentierte, dafür fehlen mir einfach die Worte. Dafür war ich im Regen von meiner Route abgewichen, hatte eineinhalb Stunden mit 14 kg Gepäck auf dem Rücken eine Strecke von 9 km fast im Joggingtempo zurückgelegt, um pünktlich bei meinem Termin zu erscheinen. Gut, dafür kann der Herr Bürgermeister nichts, zugegeben. Aber all dieser Aufwand für einen vergleichsweise beschämend-lächerlichen Spendenbetrag, den unterwegs so manches Mütterchen gegeben hat, das selbst kaum etwas hat, das konnte ich nicht begreifen.
Da bedient sich ein Bürgermeister möglicherweise in der Stadtkasse mit einem Minimalbetrag, um sich selbst medienwirksam wohltätig in der öffentlichen Presse darzustellen und ich Idiot reiße mir ein Bein dafür aus! Ich konnte es wirklich nicht fassen, habe aber dazugelernt, wie man mit minimalstem Aufwand andere für sich einspannt und selbst das Maximale für sich herausholt. Ob ich persönlich aber das Gelernte jemals in die Tat umsetze, bezweifle ich. Dafür müsste ich mich dann doch wohl viel zu sehr schämen.

KOMMENTARENDE


Nach dem Presseinterview und einer kleinen Vesperpause konnte es weiter gehen, nun in angemessenerem Tempo. Und so konnte ich sehen, dass diese Stadt wirklich ein schönes Panorama hat. Auf dem Hinweg war mir das gar nicht aufgefallen.



Auf dem weiteren Weg erlebte ich ein eigenartiges Phänomen. Ich lief über einen Pfad am Waldrand, etwa 5 Meter einwärts vom Waldrand entfernt. Und während der Regen außerhalb des Waldes in heftigen Strömen niederging, blieb ich, gerade mal 5 Meter Waldeinwärts furztrocken.

Es herrschte richtiges Regenbogenwetter. Nach einer halben Stunde schon war alles wieder trocken und selbst ein einsamer Angler wagte sich schon wieder ins Freie.

Wildgänse machten mich mit ihrem Schreien auf sich aufmerksam und erinnerten mich daran, dass der Herbst unmittelbar vor der Tür steht.

Plötzlich wendete sich das Wetter wieder und es begann zu schneien. Im Nu war alles weiß.

Aber der Spuk war schnell vorbei und nach einer halben Stunde hatte sich wieder Normalität eingestellt.

Ein Teil des heutigen Weges wird wohl auch häufiger von Jakobspilgern beschritten. Davon zeugten die Wegzeichen mit dem Muschelemblem und ein paar besondere Wegzeichen





Nur noch 2000 km bis Santiago de Compostela



Nach der insgesamt längsten Etappe des bisherigen Weges nahm Hennes das verregnete Ortsschild von Rosenberg in Besitz.

Geometrische Daten : N. 49* 53'12". E. 10* 02' 10"
Strecke : 31,626 km Gesamt : 259,304 km
Höhenmeter aufwärts : 357 m. Gesamt : 3542 m
Höhenmeter abwärts : 337 m. Gesamt : 3565 m

Nach allem, mit dem ich mich teilweise in den letzten Tagen an Herbergen konfrontiert sah, schien ich nun ins Paradies zu kommen. Wohlfühlatmospäre vom ersten Augenblick an. Alles war sauber, geschmackvoll eingerichtet und von ausgesuchter Freundlichkeit. Hervorragende Küche, die ich genießen durfte. Und das nutzte ich dann auch aus.
Das mit dem Schnee war natürlich ein Witz!

1 Kommentar:

  1. Hahaha,
    schöner Joke das mit dem Schnee,aber auf der Ostalb (gehört das noch dazu?) ist alles möglich...gute Besserung für deinem Unterschenkel...gut dass Du einen Arzt dabei hast ;-) ...
    Liebe Grüße Rainer

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