Sonntag, 21. September 2014

2014-09-20 Etappe 18 Wertheim-Miltenberg



Jetzt war er also eingetreten, der worst case, und das zwar unwissentlich, aber selbstverschuldet. Mein Tablet war ausgefallen, auf dem so viele Dateien gespeichert sind. Hoteladressen, Routenplanungen, die mich bisher vor dem Verlaufen bewahrt hatten, die Möglichkeit, Trackaufzeichnung von Garmin zu übernehmen und ins Netz zu stellen und die Möglichkeit, Fotos von meiner Kamera zu übertragen und später in den Blog zu integrieren, alles weg.
Was mich früher rasend gemacht hätte, beantwortete ich nun mit einem Achselzucken. Ich stellte an mir selber fest, wie mir die lange Wanderung eine Art von Gelassenheit und Ruhe gegeben hatte, die ich vorher nicht gekannt hatte. Trotzdem war ich missmutig, als ich mit entsprechender Verspätung aufbrach. Vergebliche Rettungsversuche hatten mich ziemlich aufgehalten. Zum ersten Mal seit meinem Aufbruch hatte mich die Wettervorhersage überhaupt nicht interessiert. Trotzdem, als ich losmarschierte, hingen die Wolken ziemlich tief und ich musste in diese Suppe hinauf. Aber zum guten Glück verzog sich der Nebel mit der gleichen Geschwindigkeit nach oben, wie ich an Höhe gewann und bald gab es nur noch blauen Himmel.

Ein neues Wegzeichen begleitete mich, das gelbe Viereck des Nibelungenwegs löste den weißen Schuh des Panoramawegs Taubertal ab, der mir in den letzten 3 Tagen von Weitem immer schon entgegengeleuchtet hatte.

Der Odenwaldclub hatte den heutigen Weg vorbildlich ausgezeichnet, sodass ich unterwegs mein funktionsloses Tablet in dieser Hinsicht kaum vermisste.

Die heutige Strecke führte fast nur durch Wald. Auf den ersten 10km ziemlich langweilig über Schotterwege, die oft über weite Strecken schnurgeradeaus führten.

Irgendwann einmal war es dann so weit. Um 14.20 Uhr MEZ verließ ich endgültig BaWü und trat für einen Tag nochmals auf bayerisches Hoheitsgebiet, dort wo Bayern an seiner westlichsten Grenze nochmals eine kleine scrotale Aussackung nach BaWü macht.

Zu BaWü fällt mir noch etwas ein, das ich jetzt loswerden kann, nachdem ich das Land verlassen habe. Im Rahmen meiner Vorbereitungen für das Projekt " Zo Fooss no Kölle für kranke Pänz" wollte ich das Projekt ja vielen Firmen und Organisationen vorstellen, um sie dafür zu interessieren. Da ich selbst aber ein völlig unbeschriebenes Blatt bin und die Aktion von vornherein ins Leere gelaufen wäre, versuchte ich zunächst, einige Prominente hinter mich zu bringen, die ich von meiner Idee überzeugen wollte und die ich um eine ideelle Unterstützung des Projektes bat. Dazu hatte ich eigens ein Expose' erstellt und dieses mit der Bitte um ideelle Unterstützung jedem einzelnen zugeschickt. Unter anderem erging diese Anfrage und Bitte an alle 5 Ministerpräsident/innen der Bundesländer, durch die meine Reise führen sollte. Natürlich auch an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, durch dessen Land der größte Streckenanteil geplant war. Eines Tages kam endlich der Brief aus dem Staatsministerium in Stuttgart. Eine Sekretärin bestätigte mir, es sei in vielen Fällen wünschenswert, die an den Ministerpräsidenten gerichteten Anfragen anzunehmen, aber aufgrund der Vielzahl solcher Anfragen sei dies LEIDER NICHT möglich. Mit dem Ausdruck des BEDAUERNS wurde mir mitgeteilt, meiner Bitte nicht nachkommen zu können.
Mit der Bitte um Verständnis, bla, bla, bla...
Es tut mir leid, aber wenn ein Privatmann sich gemeinnützig und sozial engagiert, auf eigene Kosten ein Projekt auf die Beine stellt, mit dem anderen geholfen wird, in diesem Falle krebskranken Kindern, warum bitteschön, kann man da einer Bitte um eine moralische Unterstützung LEIDER nicht nachkommen, Herr Landesvater Kretschmann? Wie wünschenswert muss es denn sein, um Aussicht auf Erfolg zu haben? Wird so freiwilliges soziales Engagement gefördert, wie es immer so schön in publikums- und wählerwirksamen Reden fast gefordert wird? Es geht doch nur um eine kleine Notiz nach dem Motto: "Ich befürworte Ihr Engagement und wünsche Ihnen für seine Durchführung alles Gute!" Hätte doch gereicht. Aber was einem hier manchmal an Ablehnungs-Begründungstexten angeboten wird, das grenzt an Beleidigung der menschlichen Intelligenz. Da wäre ein einfaches: "Nö, machen wir nicht" respektvoller gewesen.
Genug Kritik, der Gipfelpunkt der ganzen Angelegenheit war, dass dieser Brief aus dem Staatsministerium den Stempel mit der Aufschrift trug: KINDERLAND BADEN-WÜRTTEMBERG! - Keine weiteren Fragen, Euer Ehren!

Aber jetzt kam ich zum dritten und letzten Mal nach Bayern. Immer wieder waren die Spuren von Wildschweinen zu sehen, die mit ihren Rüsseln den Waldboden durchpflügt hatten. Es kam ein Punkt, an dem ich ihre Nähe deutlich spüren konnte. Ich spähte in alle Richtungen, aber sie blieben mir verborgen. Vielleicht hatten sie ja genauso viel Furcht wie ich? Aber interessant war dieses plötzliche Gefühl! Einbildung oder Überreste eines verborgenen, Zivilisationsverkümmerten Urinstinkts?

Schließlich kam ich an einen Steinwall, der bereits vor 2500 Jahren den Kelten zur Verteidigung gedient hatte. Ab hier wurde der Wald licht, hoher Mischwald, wie eine Galerie, ein Genuss, ihn zu durchschreiten.

Und dann war mein heutiges Ziel unten in der Ebene zu sehen - Miltenberg. Wie ich feststellen durfte, ein wirklich zauberhaftes Städtchen, wohl im Krieg verschont, mit wunderschönem Fachwerk an den Häusern.

Ich kam an einen Brunnen, der sofort das Gefühl in mir hervorrief, ihn zu kennen, obwohl ich noch nie hier gewesen war. Aber in schwarz-weiß, glaubte ich mich zu erinnern. Ein alter Heinz-Rühmann-Film vielleicht? Ich werde versuchen, es herauszufinden. (Wenn der Vater mit dem Sohne???)

Vor meiner Ankunft hatten mich einige Gewitter umkreist, aber ich kam trockenen Fußes in mein Hotel, das von sich sagt, das älteste Gasthaus Deutschlands zu sein.


Hier wurde ich sehr nett empfangen. Das Haus wurde unter Erhaltung der alten Substanz sehr liebevoll renoviert, wobei man manches in Kauf nahm, was vielleicht nicht heutigem Standard entspricht. Ich passte mit meinem Rucksack gerade eben durch die Tür meines wunderbar urigen Zimmers.


Hier führte die Chefin ihr strenges Regiment, thronte auf ihrem Stuhl und wies die Angestellten an. Derb, aber wohlwollend im Stil der "Goschen-Marie" aus Taldorf, Gott hab sie selig.
Für die Kölner Leser nur ein kleines Beispiel zur Charakterisierung der Persönlichkeit: Fragte beispielsweise ein Gast höflich nach der Toilette, so antwortete sie nur: " Wenn du brunze wilsch, dann gang an Bach na!" Die hiesige Chefin erinnerte mich an sie. 



Geometrische Daten : N. 49° 42'02". E. 09° 15'38"
Strecke : 29,556 km. . Gesamt : 492,345 km
Höhenmeter aufwärts : 675 m. Gesamt : 7708 m
Höhenmeter abwärts : 676 m. Gesamt : 8056m




1 Kommentar:

  1. Viele Grüße von den zwei jungen Damen mit den Welpen von Tiere in Not Odenwald e.V. (www.tierheim-spreng.de). Zwei der Süßen sind übrigens noch zu haben :-)

    AntwortenLöschen