Sonntag, 21. September 2014

2014-09-21 Etappe 19 Miltenberg-Michelstadt



Es fiel mir schwer, den "Riesen" zu verlassen. Als ich zum Frühstück kam, gingen mir die Augen über. Ich habe in einem Hotel noch nie einen solch fürstlich gedeckten Frühstückstisch gesehen.


Das entsprach der Würde dieses Hauses, schließlich hatten dem Riesen in früheren Zeiten eine Kaiserin, elf Kaiser, zwei Königinnen und zwei Könige die Ehre ihres Besuches gegeben.


Aber es half nichts, es musste weiter gehen. Ich startete pünktlich bei bedecktem Himmel. Die Wettervorhersage hatte für 16.00 Uhr Regen vorausgesagt. Das veranlasste mich, vorsichtshalber Regenkleidung anzuziehen. Bereits um Punkt 11 Uhr begann es unvermittelt zu schütten. Bevor ich meinen Poncho aus dem Rucksack holen und überwerfen konnte, war ich trotzdem schon durchnässt.
Für den Rest des Tages sollte es nicht nachlassen zu regnen. Aber wie hatte mir schon einmal ein Mann unterwegs zugerufen: " Es gibt kein schlechtes Wetter, nur unangemessene Kleidung."


Um 13.00 Uhr verließ ich letztmalig das Hoheitsgebiet des Freistaates Bayern. An drei einzelnen Tagen hatte ich bajuwarischen Boden betreten und in Bayern übernachtet und nun betrat ich erstmals hessischen Boden. Bereits im Miltenberg hatte man die Nähe Hessens gespürt, jedenfalls sprachlich. Die wenigen Menschen, die mir unterwegs begegnen, lächele ich immer freundlich an und grüße sie mit einem fröhlichen: "Grüß Gott!" - Nun aber bekomme ich: "Guten Tag" zur Antwort, wenn ich eine bekomme. Demnach liegt jetzt also die Grüß-Gott-Zone hinter mir und ich muss nicht wieder an die alten Grußformeln meiner alten Heimat zurückgewöhnen. Na ja, solange niemand mich mit "Moin, Moin" grüßt, weiß ich, ich bin noch auf dem richtigen Weg und nicht über mein Ziel hinausgeschossen.
Vor dem Betreten hessischen Bodens hatte ich im Wald jedoch erst einmal einen 500-km-Jubelschrei in die Welt losgelassen. "Jaaaaaaaa!!!!!" Ich hoffe, die Tiere des Waldes hatten Verständnis.


Nach Verlassen Bayerns darf ich nun auch berichten, welche Ablehnungsversion auf meine Bitte um ideelle Unterstützung das bayerische Staatsministerium mir im Auftrag von Herrn Landesvater Horst Seehofer zugeleitet hatte: Herr Seehofer ließ berichten, dass die Ministerpräsidenten aller Bundesländer sich darauf geeinigt hätten, nur solche Aktivitäten zu unterstützen, die im eigenen Bundesland stattfinden. Entweder, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat die entsprechende Sitzung geschwänzt oder er hat sich einen feuchten Kehricht darum geschert oder die Antwort war einfach erfunden. (Hätte ich gelogen gesagt, könnte das möglicherweise als Verleumdung ausgelegt werden). Ist mir aber auch egal, wo doch gerade unsere Politiker unser allerhöchstes Vertrauen in punkto Glaubwürdigkeit verdienen! (mir fallen aber auch einige authentische Persönlichkeiten dieser Spezies ein)


Von Herrn Bouffier jedenfalls bekam ich anstandslos sogar zwei Briefe mit guten Wünschen auf den Weg. Dafür antwortete Frau Dreyer aus Rheinland-Pfalz auf zwei Anfragen gleich gar nicht, so beschäftigt war sie. Oder die Post hat gleich zwei Mal geschlampert. Wer weiß?


(Zwischen beiden Bildern liegt eine knappe Minute, so schnell zog manchmal Nebel auf.)

Nun also werde ich ein paar Tage durch Hessen schlendern. Aufgrund des Ausfalls eines meiner wichtigsten Begleitinstrumente entschloss ich mich, meinen vorgesehenen Ruhetag in Worms vorzuverlegen, mich morgen an meinem Ziel Reichelsheim von meinem Bruder nach Heidelberg abholen zu lassen und den Ruhetag auf Dienstag zu verlegen. Vielleicht finde ich ja in Heidelberg eine kompetente Stelle, die mir helfen kann. Mittwoch würde ich dann meinen Weg an alter Stelle fortsetzen.

So gewählt kann man sich auch ausdrücken.

Zunächst einmal aber traf ich bei strömendem Regen in Michelstadt ein, dessen mittelalterliches Rathaus Jahr für Jahr auf zahlreichen Kalendern dargestellt wird.


Mein Ausrüster, der mich so kompetent und großzügig unterstützt hatte, war auch vor Ort und erinnerte mich, dass ich schon ganz schön weit fort von zuhause war.


Das Hotel, in das ich mich zur Feier der Bewältigung der ersten 500 km eingemietet hatte, ist eines von der ganz besonderen Art. Als ich das Zimmer sah, war ich bezaubert. Es stellte sich heraus, dass das kleine Hotel von der Schauspielerin Jessica Schwarz und ihrer Schwester Sandra liebevoll und jedes Zimmer individuell renoviert und eingerichtet worden war, die das schnuckelige, aber sehr feine Hotel "die träumerei" betreiben. 



In meinem Zimmer mit dem Namen "Goldspeicher" standen zwei Original-Set-Stühle. Einer mit der Aufschrift JESSICA SCHWARZ, der andere mit BENNO FÜRMANN. Auch ein altes Drehbuch zum Film "Die wilden Hühner auf Klassenfahrt" fand ich vor. 



Was ich noch unbedingt betonen muss: Heute war der erste Tag OHNE jegliches Wehwehchen. Ist das nicht toll?


Ich hoffe, heute Nacht wunderbar zu träumen in der "träumerei"! 


Geometrische Daten : N. 49° 40'42". E. 09° 00'85"
Strecke : 27,387 km. Gesamt : 519,732 km
Höhenmeter aufwärts : 789 m. Gesamt: 8497 m
Höhenmeter abwärts : 719 m. Gesamt : 8775 m



Hotel "die träumerei" in Michelstadt












1 Kommentar:

  1. Hallo Heinz, noch ein paar Tage, dann hast Du die Hälfte geschafft. Herzlichen Glückwunsch dazu. Das es Dir gut geht und es im Augenblick keine körperlichen Wehwehchen gibt, freut uns. Aber das mit dem defekten Tablett ist natürlich schlimm. Wir hoffen mit Dir, dass sich eine Lösung finden lässt. Deine Berichte sind weiter prima, mit Bildern allerdings noch eindruckvoller. Wir verfolgen alles mit Spannung. Viele Grüsse aus Köln, Ria und Bernd

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