Mittwoch, 17. September 2014

2014-09-16 Etappe 14 Rothenburg ob der Tauber-Creglingen




Angesichts des Umstandes, dass heute eine kurze Etappe nach Creglingen auf mich wartete, konnte ich mir Zeit lassen und noch ein wenig durch die Stadt schlendern. Heute Abend wollte ich erstmals eine Übernachtung in einer Jugendherberge erproben, um das nach 50 Jahren auch noch einmal zu erleben. Rothenburg ob der Tauber ist wirklich ein wunderschönes Fleckchen Erde, aber übersät von Asiaten, die überall in Massen auftauchen und auf ihren Handys Fotografien abspeichern, um nach ihrer Rückkehr später in der asiatischen Heimat ganz genau nachvollziehen zu können, wo sie überall in Europa hätten gewesen sein können, wenn sie nicht ständig nur mit Fotografieren beschäftigt gewesen wären. In die St. Jakobskirche ließ man sie aber nicht mehr hinein, da in zehn Minuten ein Kindergottesdienst stattfinden sollte. Als die Damen bei der Kasse meinen Rucksack sahen, (wegen des berühmten Riemenschneider-Altars nimmt man hier einen Eintritts-Obolus) fragten sie mich, ob ich auf dem Jakobsweg sei und einen Stempel wolle. Ich erklärte ihnen, dass ich in der entgegengesetzten Richtung unterwegs sei und als sie dann noch Wimpel und Spendenkässchen sahen, schleusten sie mich kostenlos an den Asiaten vorbei in die Kirche und ich kam für die verbleibenden 10 Minuten in den Genuss, das weltberühmte Kunstwerk, den von Tilman Riemenschneider geschnitzten Altar mit der Darstellung des Abendmahles ganz alleine ohne Menschenmassen auf mich wirken zu lassen.

Es steht nicht, wie ich erwartet hatte, vorne in der Kirche, wo jeder normale Altar steht, sondern, dem Hauptaltar gegenüber, eine Treppe hoch, den Augen der Kirchgänger verborgen, hinter der Orgel.
Die zugestandenen zehn Minuten waren leider viel zu schnell vorüber. Ich bekam aber noch Gelegenheit, eine Kerze anzuzünden und den lieben Gott damit um eine weitere komplikationsfreie und gesunde Reise zu bitten und ihn für einen guten Ausgang manch anderer Dinge zu bestechen.

Gerne wäre ich noch einen weiteren Tag geblieben, aber nachdem ich meinen Ruhetag bereits zwei Tage zuvor genommen hatte, musste ich nun doch endlich weiter, zum Städele hinaus.

Zunächst ging es entlang der Tauber nach Norden, zurück nach BaWü. Überall waren Hinweise zu lesen, dass man dem Tal der Tauber das Attribut " lieblich " verpasst hatte. Jedes Mal, wenn ich es las, musste ich an eine weltweit einmalige und unverzichtbare Institution des Kölner Karnevals denken, an Ihre Lieblichkeit, die Kölner Jungfrau.

Wieder einmal kam ich an einer ehemaligen Mühle vorbei, ich kam mit dem Zählen von Mühlen, die ich passierte, gar nicht mehr mit. Diese hier war restauriert und einem anderen Zweck zugeführt worden. Das Mühlrad hatte man zur Erinnerung eindrucksvoll zur Schau gestellt.

Auf dem heutigen Weg traf ich neben den zahlreich entgegenkommenden Radfahrern einen Schäfer, mit dem ich mich kurz unterhalten konnte. Er klagte darüber, dass diese Radfahrer häufig nur durch die Gegend hetzen ohne nach links und rechts zu schauen und dass sie von der Welt nichts mitbekämen, weil sie an ihr vorbeihetzen.

Heute musste ich allmählich von meinem lieb gewonnenen HW4 Abschied nehmen, der auf der heutigen Etappe mit vielen anderen Wegen parallel lief.

Nach einigen Kilometern führte mein Weg aus dem Tal steil hoch auf eine hügelige Hochebene. Gefühlte 100% Steigung, die mich ganz schön zum schwitzen brachte. Ich bin froh, dass die Kondition mein geringstes Problem ist. Oben war die Begegnung mit einem Hundezüchter eine willkommene Gelegenheit, etwas zu verschnaufen.

Deutlich spürte man, dass der Herbst sich nicht aufhalten ließ. Häufig schlurfte ich mit meinen Füßen durch Blätterhäufen und freute mich an dem anderen Laufgeräusch. Und ich registrierte, dass die Maisernte begonnen hatte. Bald werde ich statt durch Maisschluchten über freies Feld laufen und dem Wind trotzen müssen.

Im Wald fand ich ein erstes Huldigungszeichen an die Stadt Köln. "Rut un wieß" zum ersten Mal.

Aber auch andere Farbspiele hielt die Natur bereit, teilweise begann sich auch das Blattwerk bereits zu verfärben.

Schließlich hatte ich mich Creglingen so weit genähert, dass der Weg mich ins Tal führte und mich genau an der Herrgottskirche vorbei führte. Wer in diesem Augenblick aufmerksam gelesen hat, dem ist es sofort aufgefallen.

Jawohl, wir sind in Franken. Und da ist der Chef wieder zuständig, nicht mehr das Herrgöttle, denn das war ja alleine nur zur Erschaffung des Schwabenlandes zuständig. Daher steht hierzulande natürlich die Verehrung des Herrgotts höchstselbst im Vordergrund, also: Herrgottskirche!

In dieser kleinen Kirche gibt es ebenfalls ein weltbekanntes, einzigartiges Kunstwerk, zu dem die Menschen von weit her pilgern, um es zu bewundern und zu verehren. Gemalt vom Rafael des Frankenlandes, dessen Name im Laufe der Geschichte verloren ging.

Na klar, ihr habt sofort bemerkt, dass es sich um eine Fälschung handeln muss, denn Frauen trugen im 15. Jahrhundert völlig andere Frisuren, sodass der Fälscher relativ schnell auffiel.
Aber Spaß beiseite, auch hier gibt es einen berühmten Marien-Altar von Tilman Riemenschneider, ein sehr eindrucksvolles, lebensecht darstellendes Schnitzwerk des einzigartigen Künstlers.

Kurz hinter der Herrgottskirche begann der Bereich des Städtchens Creglingen. Vor dem Überschreiten der Tauberbrücke glaubte ich vom weitem zum letzten Mal das Zeichen meines lieb gewonnenen HW4 zu sehen. Tatsächlich bemerkte ich beim Näherkommen, dass es sich um ein Label des Commando Cannstatt handelte, einer Gruppe von Ultras des VfB Stuttgart, zu dem sich unser jüngster Sohn zugehörig fühlt. Der ewige Familienkonflikt, 3 Fans des VfB gegen einen FC-Fan.

Hennes jedenfalls erobert im Augenblick ein Ortsschild nach dem anderen. Und der FC hat Stuttgart auswärts auch eine Packung verpasst. (musste mal gesagt werden)

Die Jugendherberge war schnell gefunden. Es gab eine richtige Rezeption wie in einem Hotel. Ein junger Mann bemerkte mich beim Empfang, ich erklärte ihm, ich habe mich angemeldet, nannte brav meinen Namen und er beeilte sich, seinen Chef zu holen, da er sich mit den Buchungen nicht auskenne. Kurz darauf kehrte er mit der Bemerkung zurück, der Chef komme gleich, er wolle nur noch zu Ende essen. Also noch ein wenig warten mit Duschen und Wäsche waschen.

Als der Herbergsvater nach 20 Minuten immer noch nicht erschienen war, hatte ich genug und zog meine Konsequenzen. Kurz entschlossen wechselte ich das Quartier und zog in einer Pension ein. Ich bezog ein riesiges Doppelzimmer mit Sonnenbeschienenem Balkon und einem geräumigen Bad. Das ganze kostete mich ganze 3 Euro mehr als in der JuHe zu übernachten.
Hotel Herrgottstal in Creglingen
Geometrische Daten : N. 49* 28'07". E. 10* 02'33"
Strecke : 23,742 km. Gesamt : 368,443 km
Höhenmeter aufwärts : 323 m. Gesamt : 5020 m
Höhenmeter abwärts :  450 m. Gesamt : 5232 m

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